Printer Friendly Version Präsident Vučić: Wir haben uns entschieden – unser Ziel ist die EU, aber China ist ein wichtiger Partner @ 29 July 2021 06:06 PM

Am 22. Juli 2021

Serbiens Präsident Aleksandar Vučić sagte im Interview für die deutsche Tageszeitung „Handelsblatt“, dass wir uns entschieden hätten – unser Ziel sei und bleibe die EU. Für Serbien gebe es keine Alternative aber er betonte, dass China ein wichtiger Partner für Serbien sei, während die Aufgabe des Staates sei, sich um die eigenen Bürger zu kümmern.

So beantwortete er die Frage, was Serbiens Wahl sein wird, wenn es sich einmal zwischen engen Beziehungen mit Peking und der EU entscheiden muss. Vučić betonte, dass Serbien vollwertiges Mitglied der EU werden wolle.

„Uns verbindet die Geschichte, die gemeinsame Kultur, EU-Staaten sind mit sehr weitem Abstand schon jetzt unsere wichtigsten Partner“, erklärte er und sagte, dass das Handelsvolumen zwischen Deutschland und China 3000-mal größer als das zwischen Serbien und China sei und trotzdem würden Serbiens Chinageschäfte als Problem dargestellt.

Bezüglich der Bemerkung, dass die deutsche Bundeskanzlerin der Kommunistische Partei Chinas zum 100. Geburtstag nicht gratuliert habe, während er das getan habe, sagte er das Serbien nicht Deutschland, sondern ein kleines Land sei. Zur weiteren Frage, was Serbien tun wird, falls es sich irgendwann zwischen der EU und China entscheiden müsse, sagte er, dass Serbien sich schon entschieden habe und dass die EU-Mitgliedschaft sein Ziel gewesen und geblieben sei.

„Auf die EU entfallen 67 Prozent unseres Handels. Plus 17 Prozent mit Ländern der Region, die alle auf dem EU-Pfad sind. Wir können ohne die Europäische Union nicht überleben“, sagte der Präsident.

„Aber können wir mit China Gutes auf die Beine stellen? Ja. Und das tun wir – wie etwa Deutschland auch“, sagte Vučić, während er zu der Bemerkung, dass die Qualität der Seidenstraßenprojekte vor allem wegen chinesischer Arbeiter kritisiert werde, sagte, dass die Qualität von Straßen oder Brücken, die Serbien mit China zusammen baue, sehr gut sei.

„Wir geben demjenigen den Zuschlag, der uns das beste Angebot macht. Und deswegen sage ich den Europäern, die chinesische Projekte in unserem Land kritisieren: Bietet uns das Projekt für einen Euro mehr an, und wir schlagen ein“, sagte er.

Diesbezüglich deutete er darauf hin, dass Serbien mit 600 Millionen Euro EU-Hilfe eine Bahnstrecke nach Nordmazedonien baue. Das sei besser als das Angebot von chinesischer Seite gewesen.

„Über die von China finanzierte und gebaute Bahnstrecke nach Budapest mit 180 Kilometern auf serbischem Gebiet wird immer wieder gesprochen. Aber: Die Strecke mit der EU von Belgrad an die nordmazedonische Grenze, die ist doppelt so lang – und keiner spricht darüber. Es ist alles sehr politisch“, stellte er fest.

Auf die Frage über die Pläne der EU und der USA für eine alternative Seidenstraßeninitiative antwortete Vučić, dass er alles, was Vorteile für unsere Region bringe, unterstütze.

„Die Chinesen sind bestrebt, ihre Präsenz überall auszudehnen. Aber viele Prozesse im Westen laufen ehrlich gesagt reibungsloser und effizienter. Wir müssen noch viel vom Westen lernen“, sagte Vučić.
Er sagte, dass China ein wichtiger Partner für Serbien bleibe sowie dass unser Land gute Bedingungen für Entwicklungsprojekte bekommen habe, als wir mit der  Konsolidierung unserer Staatsfinanzen 2014 starteten.

So sei in Ostserbien auf Bitten der EU eine öffentliche Ausschreibung für eine Kupfermine gemacht worden. Sechs Monate lang habe nicht ein einziges europäisches Unternehmen dafür geboten. Die Chinesen hätten sie übernommen.

„Unser Job ist es doch für unsere Leute zu sorgen“, so Vučić.

Er erinnerte daran, dass die serbische Wirtschaft in achteinhalb Jahren um 52 Prozent gewachsen sei, was für die EU heiße, dass, Serbien ein starkes Mitglied, ein Motor für die ganze Region sein könnte.

Während er erklärte, wie Serbien sich wirtschaftlich gut entwickele, sagte er, dass Serbien Toparbeitskräfte, die Englisch sprächen, habe. Die Gesellschaft und Verwaltung seien digitalisiert, die Arbeitsgesetze in Serbien seien am flexibelsten in ganz Europa und die  Staatsfinanzen konsolidiert. 

Er erinnerte daran, dass die Staatsverschuldung früher bei 78 Prozent der Wirtschaftsleistung lag und heute durch starkes Wirtschaftswachstum auf 52 Prozent gesenkt worden sei.

„Wir können es uns finanziell leisten, Investoren Ansiedlungsanreize zu bieten“, sagte er und betonte, dass Serbien Investoren helfe aber dass das Entwicklungszentrum von Continental doch nicht nur wegen Subventionen komme.

Nach seinen Worten habe nur Serbien in der Region das duale Ausbildungssystem zusammen mit Deutschland, der Schweiz und Österreich vor fünf, sechs Jahren gestartet. Jetzt seien Zehntausende Menschen in einer dualen Ausbildung – und die ausländischen Investoren schätzten das. Sie könnten zudem eng mit unseren Universitäten zusammenarbeiten.

Deutschland sei der wichtigste Handelspartner für Serbien und der größte Investor.

„Wir haben bei der Ansiedlung mit kleinen Textilfirmen aus der Türkei begonnen, jetzt sind es vor allem große deutsche Firmen, die sich in Serbien ansiedeln. Heute arbeiten 71.000 Menschen für deutsche Unternehmen in Serbien“, erklärte er.

Vučić sagte, dass die Aussicht auf eine EU-Mitgliedschaft für Investoren sehr wichtig sei und erwähnte Autozulieferer wie Nidec, Toyo Tires oder Mitsubishi, die aus Japan nach Serbien kommen, weil unser Staat auf einem stabilen EU-Pfad sei.

Auf die Frage, ob er glaubt, dass Serbien in absehbarer Zeit EU-Mitglied wird, antwortete er, dass er sich nicht beschwere.

„Sicher, hätten wir 45 Milliarden Euro an EU-Hilfen bekommen, wären wir natürlich wirtschaftlich schon viel weiter. Stattdessen haben wir 1,6 Milliarden Euro von der EU bekommen. Wir sind es gewohnt, uns unsere Erfolge selbst zu erarbeiten“, sagte Vučić.

Der serbische Präsident erinnerte, dass in Kroatien die Löhne früher 2,2-mal so hoch wie bei uns gewesen seien. Jetzt sei es noch das 1,7-Fache.

„Wir schließen diese Lücke aus eigener Kraft. Wenn wir ein Teil der Europäischen Union wären, würden wir nicht gleich nach den größten Subventionen fragen“, versicherte er.

Er sagte, dass der serbische Weg dem deutschen Weg nach Europa folge und dass Serbien eine faire Chance möchte.

„Und ich glaube an die Worte von Angela Merkel. Sie ist am Ende ihrer Amtszeit, und ich muss sie nicht mehr loben. Aber sie hat uns Stabilität gegeben, Reisefreiheit mit der EU, hat uns in der Migrationskrise 2015 sehr geholfen und Minister Altmaier und andere gebeten, eng mit uns zu arbeiten“, erinnerte er.

Die Frage, ob es Hinweise gibt, dass auch die neue  Bundesregierung Serbien so unterstützen wird, beantworte er, indem er sagte, dass er davon überzeugt sei.

„Ich kenne Armin Laschet, habe mit ihm als Ministerpräsidenten von NRW gesprochen. Er ist sehr klug, versteht die Lage auf dem Balkan und wird als neuer Kanzler Merkels Politik für diese Region sicherlich fortsetzen“, sagte er.

Vučić brachte auch seine Überzeugung zum Ausdruck, dass Russland nicht ähnlich reagieren würde wie im Fall der Ukraine, sollte sich der Beitritt zur EU einmal konkretisieren. Das sei eine souveräne serbische Entscheidung.

Zu einer zusätzlichen Frage zu diesem Thema sagte Vučić, dass immer wenn er Wladimir Putin getroffen habe, das war 18- oder 19-mal, habe er ihm gesagt, dass wir sehr dankbar seien für die traditionell enge Freundschaft mit Russland, aber auch, dass Serbien klar auf EU-Kurs sei.

„Er fragte: Ist das eure Wahl? Und ich habe bekräftigt: Ja, die EU-Mitgliedschaft ist unser Ziel“, sagte Vučić.

In Bezug auf das „Kosovo“ sagte Vučić, dass man einen Kompromiss brauche.

„Nur dann kann es eine dauerhafte Lösung geben. Serbien will, ich will Frieden. Schluss mit dem Irrsinn der Vergangenheit! Dann kann die ganze Region ein Motor für Europas neues Wachstum werden“, sagte Vučić.

Quelle: Tanjug